Der Wald als Klimaretter
Um die Klimaziele noch erreichen zu können, müssen spätestens ab 2050 große Mengen Kohlendioxid (CO2) wieder aus der Atmosphäre entnommen werden. Die Bilanz der CO2-Emissionen muss dabei negativ sein, also über Netto-Null hinausgehen. Neben technischen Lösungen, gibt es auch die Vorstellung, dass der Wald signifikante Mengen CO2 aufnehmen kann.
Aktuell wird intensiv darüber diskutiert, wie der Wald zukunftsfähig gestaltet werden kann und vor allem, welche Aufgaben der Wald erfüllen soll. Dabei gerät der Wald zunehmend in ein Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen.
Global tragen Landnutzungsänderungen erheblich zum Anstieg der CO2-Konzentration bei (kumuliert etwa ein Drittel). Vor allem durch Abholzen und Verbrennen von Wäldern und Trockenlegen von Mooren. Umgekehrt haben Wälder etwa 25 Prozent der bisherigen CO2-Emissionen wiederaufgenommen. Daneben haben die Weltmeere sogar 30 Prozent dieser Emissionen aufgenommen. Weiter nimmt das Meer große Mengen der zusätzlichen Wärmeenergie auf.
Die verbleibenden 45 Prozent, die nicht von Biomasse und dem Meer aufgenommen wurden, haben dazu geführt, dass die CO2-Konzentration in der Luft, von ursprünglich 280 Teilen pro Million (ppm), auf aktuell etwa 420 ppm angestiegen ist. Als Höchstgrenze für die Klimaverträglichkeit wird ein Wert von 450 ppm angenommen (IPCC, internationaler Klimaforschung). Als dauerhaft verträglich gilt ein Wert von 350 ppm. Im Jahr 2023 wurden global etwa 41 Milliarden Tonnen CO2 emittiert. Wenn nicht schnell genug gegengesteuert wird, werden bis Mitte der 2030er Jahre die gerade noch verträglichen 450 ppm überschritten werden.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie viel CO2 der Wald zukünftig noch aufnehmen kann?
Um die Funktion der Wälder im Klimasystem einordnen zu können, ist ein grundlegendes Verständnis der verschiedenen Erdsysteme und deren Wechselwirkungen, hilfreich. Angetrieben von der Photosynthese, stehen dabei Kohlenstoff und andere Stoffe in einem Kreislauf, der das Leben erst ermöglicht.
Die Natur ist dabei nicht so angelegt, dass sie zunehmend Kohlenstoff in Biomasse und Böden fixiert. Über Zeiträume von vielen Jahrtausenden, wird über den sogenannten langfristigen Kohlenstoffkreislauf in Sedimenten und geologischen Schichten, Kohlenstoff eingelagert. Diese Flussraten sind aber so gering, dass damit nicht das Problem der Klimaerwärmung gelöst werden kann.
Die Austauschprozesse zwischen Atmosphäre und Pflanzen, sowie dem Meer, laufen im kurzfristigen Kohlenstoffkreislauf ab. Wenn keine Störungen vorliegen, sind die Mengen, die zwischen diesen Reservoirs ausgetauscht werden, ausgeglichen.
Wenn aktuell Wälder durch Zuwachs CO2 aufnehmen, ist dieses nur möglich, weil die dafür erforderlichen, klimatischen und ökologischen Randbedingungen, noch vorliegen.
Bei der Diskussion, welche Waldnutzung mehr CO2 aufnimmt, muss berücksichtigt werden, dass ein Wald von Natur aus, je nach Region, auf einen bestimmten Typ Wald ausgerichtet ist.
Für einen Wald in einem deutschen Mittelgebirge können wir die theoretische Annahme treffen, dass ein sich selbst überlassener Wald, unter natürlichen Randbedingungen, einen Bewuchs erreicht, bei dem 80 Prozent Kohlenstoff fixiert werden, den der Wald im Vergleich zu einer optimalen Ausprägung, erreichen würde.
Warum nur 80 Prozent? Wälder sind natürlichen Störungen unterworfen. Von Natur aus haben mitteleuropäische Wälder Lichtungen, Windbruch, selbst Borkenkäfer und andere Insekten die Bäume schädigen, haben die Funktion Freiräume zu schaffen. Je nach Waldtyp sind auch Waldbrände wichtig um eine natürliche Verjüngung zu fördern oder Flächen offen zu halten. Hinzu kommt noch der Einfluss von Wildtieren.
Daneben ist bei einem Wald der sich selbst überlassen bleibt, offen, welche Vegetation sich etablieren wird, Theoretisch könnte durch gezielte Eingriffe, ein Bewuchs gefördert werden, der mehr Wachstum auf dieser Fläche generieren würde. Dieser maximal mögliche Bewuchs wären 100 Prozent.
Zum Verständnis: Die genannten 80 Prozent ist eine Annahme, die darauf beruht, dass ein Wald nicht einen maximal möglichen Bewuchs erreicht.
Sicher gibt es einzelne Flächen auf denen ein Maximum erreicht wird. Entscheidend ist aber der Durchschnitt. Die angenommenen 80 Prozent sind ein Hilfsmittel, um Urwälder mit bewirtschafteten Wäldern vergleichen zu können. Abgesehen von tropischen Regenwälder, wo unter natürlichen Randbedingungen der maximal mögliche Bewuchs erreicht wird, gibt es kaum Wälder die einen derartigen Bewuchs erreichen. Leider sind es gerade diese tropischen Regenwälder, die durch menschliche Eingriffe stark bedroht sind.
Wenn wir einen Wald in Deutschland beschreiben, der sich über viele Jahre zu einem natürlichen Urwald im Wachstumsgleichgewicht entwickelt hat, in dem Generationen vorheriger Bäumen komplett auf der Fläche belassen wurden und diese sich über verschiedene Prozesse remineralisiert haben, bzw. als Totholz und Humus noch vorhanden sind, muss klar sein, dass es sich dabei um ein Model handelt.
Warum ein Model? In Deutschland wird es kaum eine größere Waldfläche geben, die über viele Jahrhunderte nicht genutzt wurde, bzw. keine Eingriffe vorgenommen wurden. Der in Thüringen gelegene Nationalpark Hainich, wurde erst Mitte der 1990er Jahren aus der Nutzung genommen. Neben dem Hainich wurden noch weitere Wälder aus der Nutzung genommen, die sich jetzt zu einem Urwald entwickeln können. Diese Wälder sind aber keine Urwälder in dem Sinne, dass sie als Reverenz für einen Wald im natürlichen Gleichgewicht genommen werden können. Dazu ist die Umstellung zeitlich noch zu kurz.
Wenn wir jetzt einen Nutzwald, mit dem oben beschriebenen Model vergleichen wollen, muss zunächst der Zustand dieses Nutzwaldes beschrieben werden.
Um einen objektiven Vergleich zu ermöglichen, kann nicht ein optimal entwickelter Urwald, den es in Deutschland bis jetzt nicht gibt, mit einem stark geschädigten Nutzwald verglichen werden.
Von daher ist es hilfreich, zunächst die Entwicklung der Wälder in Deutschland zu betrachten. Viele Wälder in Deutschland wurden historisch, bis in die 1960er Jahre hinein teilweise stark übernutzt. Das Anpflanzen von Monokulturen wurde aus der Not heraus gemacht um möglichst schnell viel Holz zu bekommen. In dichter besiedelten Regionen wurden auch kleinere Äste und Streu aufgesammelt. Das Bild vom „aufgeräumten Wald“, in Verbinndung mit einem stark geschädigten Fichten- oder Kiefernwald, wird gerne als Beispiel für bewirtschaftete Wälder genommen.
Bis in die 1990er Jahre wurde der Wald durch den sauren Regen stark geschädigt. Ab den 2010er Jahren treten verstärkt Schäden durch den Klimawandel auf.
Während dieser Zeit haben sich aber die forstwirtschaftlichen Methoden grundlegend geändert. Die Auffassung wie ein Wald entwickelt und erhalten werden soll, folgt ökologischen Grundsätzen. Wichtig ist der Erhalt des Waldes als Naturraum.
Auch in einem forstwirtschaftlich genutzten Wald verbleibt seit vielen Jahren Totholz auf den Flächen. Kahlschläge gibt es nur noch in Ausnahmenfällen. Vor allen bei großflächigen Schäden, die dann nachfolgend wieder aufgeforstet werden.
Monokulturen werden zu Mischwäldern umgebaut. Natürliche Verjüngungen werden gefördert. Alte Bäume und Biotopbäume bleiben erhalten. Gewässer und Moore werden renaturiert. Auch bei forstwirtschaftlich genutzten Wäldern dauert die Umstellung auf diese naturnahe Bewirtschaftung viele Jahre. Von daher ist ein Vergleich von Urwäldern mit Wirtschaftswäldern, auf realen Flächen kaum möglich. Wenn wir für einen Nutzwald ebenfalls ein Model beschreiben, kann dieser Wald so beschrieben werden:
Naturnahe Bewirtschaftung, die natürliche Verjüngung überwiegt. Da wo es erforderlich ist werden Baumsetzlinge- die durch natürliche Anpassung genetisch besser angepasst sind, ausgebracht. Die Zusammensetzung der Baumarten ist verbessert. Wo erforderlich werden Pflegemaßnahmen durchgeführt. Die Sukzessionsdynamik ist nicht durch Schadholzflächen mit Überwucherungen eingeschränkt. Biotopbäume bleiben erhalten. Invasive Arten werden unterdrückt. Die Brandlast wird durch gezielte Entnahme von geschädigten Bäumen und Restholz gemindert. Wo es geht, verbleibt Totholz auf der Fläche. Die Streuauflage bleibt erhalten. Die Wasserhaltung wird durch Aufwuchs von erodierten Flächen verbessert. Biotope und Moore werden gezielt gefördert
Bei einer derartigen Bewirtschaftung wird wahrscheinlich auch eine Kohlenstoff-Fixierung von mindestens 80 Prozent erreicht.
Bei der Kohlenstoffbilanz kommt bei einem Nutzwald noch das geerntete Holz hinzu, dass als Bauholz über viele Jahrzehnte bis Jahrhunderte erhalten bleibt.
Teilweise besteht die Vorstellung, dass bei einem Urwald die Böden fortlaufend Kohlenstoff fixieren. Die Einlagerung von Humus in den Boden unterliegt einem Fließgleichgewicht, bei der Einlagerung und Austrag in einem Gleichgewicht stehen. Aktuell nehmen Böden zwar noch signifikante Mengen Kohlenstoff auf. Diese Aufnahme finden aber hauptsächlich auf Flächen statt, die zuvor stark übernutzt wurden und jetzt durch eine nachhaltige Bewirtschaftung, regenerieren können.
Ein weiteres Argument ist das Belassen von Holz auf den Flächen und so mehr Kohlenstoff im Totholz gebunden wird. Über kurze Zeiträume kann dieser Effekt zutreffen. Über lange Zeiträume kommt es eher zu einem gegenläufigen Effekt. Die Logik, viel Totholz ist gleich viel gebundenes CO2, ist insofern fraglich, da der Wald zum Wachstum, Fläche und Raum benötigt. Von daher ist die Art und Weise, wie Totholz auf den Flächen zum Liegen kommt, entscheidend, wie viel Platz für einen Nachwuchs vorhanden ist. Zumal Totholz nicht gleichmäßig anfällt, sondern je nachdem welche Ursachen vorliegen, kleine Lichtungen bis größere Flächen betroffen sein können.
Zu berücksichtigen ist auch, dass die Schaffung von Urwäldern, andere Ziele verfolgt als Kohlenstoff einzulagern. Werden in einem Urwald durch Sturm, Dürre oder andere Ereignisse Bäume und Vegetation vernichtet, ist das ein natürliches Ereignis. Wie die weitere Entwicklung aussieht ist völlig offen. Eine möglichst hohe Kohlenstoffspeicherung ist nicht das Ziel eines Urwaldes.
Hinzu kommt noch, welchen Einfluss und Auswirkungen der Klimawandel auf die Wälder haben wird. Befürworter des Urwaldes argumentieren, dass Urwälder, durch die höhere Biodiversität, eine bessere Resilienz gegen den Klimawandel haben.
Als Paradebeispiel für die schlechte Widerstandskraft von Nutzwäldern, werden gerne Fichten- oder Kiefern- Monokulturen genommen. Die Schäden durch Borkenkäfer bei Fichten oder die Anfälligkeit für Waldbrände bei Kiefernwälder sind offensichtlich.
Auch hier ist die Frage, welche Wälder miteinander verglichen werden sollen? Wie oben geschrieben ist der Zustand in dem sich ein Wald befindet, historisch begründet. Je nachdem
wie weit die Umstellung schon erfolgt ist, ist ein Wald mehr oder weniger anfällig gegen die Auswirkungen des Klimawandels. Eine grundsätzliche Schlussfolgerung auf alle Nutzwälder, ist daher nicht möglich.
Hinzu kommt noch, dass durch den Klimawandel viele Arten und Biotope besonders bedroht sind. Auch in Kernzonen von Naturparks und Biosphärenreservaten sind Schäden durch den Klimawandel sichtbar. In Laubmischwälder weisen viele Bäume Dürreschäden auf. Wichtig für die Klimastabilität von Wäldern sind auch, das Relief, der Boden, das Mikroklima und vieles mehr. Eine pauschale Aussage über die Klimastabilität von Wäldern ist kaum möglich.
Die Vorstellung, dass der Wald große Mengen CO2 aufnehmen kann, kommt hauptsächlich von zwei Umständen, die offensichtlich missverstanden wurden.
Zunächst von dem Umstand, dass Wälder große Mengen der von Menschen verursachten CO2-Emissionen wiederaufgenommen haben. Dabei wurden diese Mengen nur in geringen Umfang von heimischen Wäldern, aber überwiegend von borealen Wäldern aufgenommen. Boreale Wälder liegen in nördlichen Breiten, etwa von Skandinavien bis nördliches Sibirien, sowie Alaska und nördliches Kanada. Das sind sehr große Flächen. Auf Grund der Erwärmung in diesen Breiten, sowie dem erhöhten CO2-Angebot der Luft, wurden diese Wälder zu Wachstum und Ausbreitung angeregt. Was aber die Albedo in diesen Breiten verringert hat. In der Folge wird weniger Sonnenstrahlung reflektiert, was zur Erwärmung dieser Region führt.
Tropische Regenwälder speichern pro Fläche am meisten Kohlenstoff. Da diese Wälder aber schon ihr Maximum von Wachstum und Ausbreitung erreicht haben, können diese Wälder nicht zusätzlich Kohlenstoff speichern. Abgeholzte Flächen, die wieder aufgeforstet werden, können natürlich wieder Kohlenstoff aufnehmen. Die Fähigkeit Kohlenstoff aufzunehmen, bezieht sich aber auf intakte Wälder.
Der zweite Umstand kommt daher, dass zu Beginn der internationalen Klimaverhandlungen bestimmten Ländern zuerkannt wurde, den Zuwachs ihrer Wälder als negative Emissionen bilanziell anrechnen zu können. Zu Beginn der Klimaverhandlungen in den 1990er- und Anfang der 2000er Jahren, waren vor allem die Vereinigten Staaten ein schwieriger Verhandlungspartner. Ohne dieses Zugeständnis hätte es keine Vereinbarungen gegeben. Das Argument der USA waren viele junge Wälder auf ihrem Staatsgebiet, die im Wachstum noch CO2 binden können. Die Wachstumsstadien der Wälder in den USA sind mir nicht bekannt. Junge Wälder gibt es aber nur dann, wenn entweder vorher alte Wälder abgeholzt wurden oder zusätzlich Flächen geschaffen wurden. Es kann auch sein, dass sich diese Flächen, auf die zuvor genannten borealen Wälder in Alaska beziehen.
In Europa wurden seit dem Mittelalter große Flächen abgeholzt oder entwertet. Von daher können durch die Umstellung auf eine nachhaltige Forstwirtschaft diese Flächen, ebenfalls noch bestimmte Mengen an CO2 aufnehmen.
Offensichtlich wurde dieser Umstand missverstanden. Je nachdem welche Meinungen vorliegen, kann diese Kohlenstoffbindung so verstanden werden, dass der Wald noch sehr lange CO2 aufnehmen kann, vorausgesetzt der Wald wird so behandelt, wie es der individuellen Meinung entspricht.
Eine andere Meinung ist vornehmlich auf der politischen Ebene zu finden. Hier wurde die bilanziell anrechenbare Kohlenstoff-Bindung so verstanden, dass der Umbau auf nachhaltige Energiesysteme nicht so dringlich ist. CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energien können ja mit dem Wald verrechnet werden.
Im Gegensatz dazu kommt die Anrechenbarkeit der Kohlenstoffspeicherung durch den Wald, von der Notwendigkeit die Klimaziele erreichen zu müssen. Dabei sollen die CO2-Emissionen aus der Nutzung fossiler Energieträger schnell eingespart werden. Am Ende bleiben aber noch CO2-Emissionen und andere Treibhausgase übrig, die nur noch schwer zu vermeiden sind. Diese Emissionen sollen dann durch die zusätzliche CO2-Aufnahme im Wald, zu Netto Null führen.
Die im deutschen Wald aufgenommen CO2-Mengen sind durchaus beachtlich. Derzeit werden etwa 52 Millionen Tonnen pro Jahr im Wald aufgenommen. Im Jahr 2017 waren es aber noch 62 Millionen Tonnen. Im Jahr 2023 betrugen die Triebhausgasemissionen 674 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, was gegenüber 2022 immerhin einer Einsparung von 10 Prozent entspricht. Allerdings wurden diese Einsparungen in erster Linie durch den Ukrainekrieg und die damit verbundene Unsicherheit bei der Energieversorgung verursacht. Unabhängig davon müssen in Deutschland die Treibhausgasemissionen im Jahr 2030, auf mindestens 438 Millionen Tonnen CO2-Äquvivalente sinken. Spätestens bis 2045 muss die Treibhausgasneutralität erreicht sein.
In wie weit der Wald in Deutschland noch weiter Kohlenstoff binden kann hängt von vielen Faktoren ab.
Im Prinzip ist es beim Wald wie mit einem Schwamm. Wenn ein Schwamm ausgedrückt wird, kann er danach wieder Wasser aufnehmen. Allerdings nur so lange, bis der Schwamm wieder voll ist. Wenn wir den deutschen Wald mit einem Schwamm vergleichen, wurde er über lange Zeit ausgedrückt. Da der Wald jetzt geschützt wird und eine nachhaltige Forstwirtschaft den Zuwachs fördert, kann der Wald wieder Kohlenstoff, aufnehmen.
Allerdings nicht unbegrenzt, sondern nur bis zum Erreichen eines individuellen Wachstumsgleichgewichts. Darin sind Bäume, andere Vegetation, Totholz, Humus und Boden, sowie die Wechselwirkungen mit der Tierwelt enthalten.
Dass Problem was jetzt verstärkt auf den Wald einwirkt, sind die Auswirkungen durch den Klimawandel.
In Deutschland wiesen im Jahr 2023 etwa 80 Prozent aller Bäume Schäden auf. Durch die überdurchschnittlich starken Niederschläge seit Ende 2023, hat sich der Wald bis Sommer 2024 wieder sichtbar erholt. Davor waren von 2018 bis Anfang 2023, überdurchschnittlich wenig Niederschläge. Hinzu kommt noch, dass Niederschläge vermehrt als
Starkregenereignisse stattfinden, die überwiegend oberflächlich abfließen und weniger im Boden versickern.
Um den Wald für die Zukunft fit zu machen, muss der Wald grundlegend umgebaut werden. Das Problem dabei ist aber, wir wissen bis jetzt nicht wie stark der Klimawandel sein wird und welche Folgen zu erwarten sind. In der Klimaforschung gilt eine Erwärmung von 2 Grad als gerade noch beherrschbar. Wobei alles unternommen werden muss, die Erwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen. Tatsächlich läuft die Weltgemeinschaft aber auf eine Erwärmung von mindestens
2,7 Grad bis zum Jahr 2100 hinaus. Bei ungünstiger Entwicklung können es auch 3 Grad und mehr werden. Den deutschen Wald auf eine Erwärmung von 2 Grad einzustellen ist schon eine enorme Herausforderung. Bei 2,7 Grad oder mehr, wären heimische Baumarten kaum noch überlebensfähig. Um wenigstens noch das
2 Grad-Ziel einhalten zu können, müssen spätestens ab 2050 große Mengen CO2 wieder aus der Atmosphäre entfernt werden. In der erforderlichen Größenordnung können das auf keinen Fall die Wälder leisten.
Dafür sind technischen Lösungen erforderlich, die es im kleinen Maßstab schon gibt, aber noch weiterentwickelt werden müssen. Wann und wie diese Technologien zum Einsatz kommen, ist derzeit aber noch vollkommen offen.
Unabhängig davon ist es aber wichtig, Wälder in allen Weltregionen zu schützen und wo immer es geht, wieder aufzuforsten. Der Wald darf aber nicht als Senke oder Ausgleich für zu hohe CO2-Emissioen von fossilen Energieträgern betrachtet werden. Sondern als Kohlenstoff-Reservoir, dass immer schon vorhanden war.
Der Wald kann am besten dadurch geschützt werden, möglichst schnell CO2- und andere Treibhausgasemissionen zu vermeiden. Von daher geht die Diskussion, ob ein Urwald mehr Kohlenstoff aufnimmt als ein naturnah bewirtschafteter Wald, an den Herausforderungen vorbei.
Zu berücksichtigen ist auch noch die Geschwindigkeit der Temperaturerhöhung. Verschiedene Studien zeigen, dass sich Bäume einem veränderten Klima zwar anpassen können. Das Problem ist aber die zunehmende Geschwindigkeit der Temperaturerhöhung. Zum Vergleich: Zum Ende der letzten Eiszeit ist die Temperatur innerhalb von 5.000 Jahren um 5 Grad gestiegen.
Die aktuelle Temperaturerhöhung wird von 1960 bis 2100, je nach Szenario, etwa 2,7 bis 3,5 Grad betragen. Natürlich waren die CO2-Emissionen aus der Verbrennung von Kohle schon früher. Eine signifikante Temperaturerhöhung ist aber erst ab den 1960er Jahren eingetreten.
In dieser kurzen Zeitspanne können sich heimische Bäume genetisch nicht anpassen. Daneben stellt sich auch die Frage, ob eine genetische Anpassung in dieser Größenordnung überhaupt möglich ist, bzw. an Grenzen stößt. Es ist nicht vorstellbar, dass Bäume, die an ein kaltes- oder mitteleuropäisches Klima angepasst sind, in heißen Regionen überleben können. Von daher gibt es für jede Klimazone speziell angepasste Arten.
Derzeit werden verschiedene Baumarten geprüft, die vermeidlich besser mit steigenden Temperaturen und Trockenstress zurechtkommen. Allerdings stellt sich auch hier die Frage, welche klimatischen Veränderungen zu erwarten sind, damit der Wald passend dazu umgebaut werden kann.
Oft werden Fichten, die überwiegend in Monokulturen angebaut wurden, für die Klimaschäden im Wald verantwortlich gemacht. In Verbindung mit einer geringen Biodiversität entspricht diese Baumart dem Negativbild von Nutzwäldern. Dabei gibt es auch Fichten-Bestände die sich in einem Mischwald bis jetzt gut entwickelt haben. Sicher sind es verschiedene Faktoren die dazu beigetragen haben.
Bei der Diskussion um die zukünftige Nutzung der Wälder, muss auch die Bedeutung von Holz berücksichtigt werden. Als Bauholz ist Holz kaum zu ersetzen. Aber auch für Inneneinrichtungen und Möbel. Die Nutzung von Holz ist nicht grundsätzlich schlecht. Entscheidend ist, die Herkunft und die Nachhaltigkeit.
Den Wald der Zukunft zu gestalten ist eine große Herausforderung. Baumarten die heute noch als geeignet eingestuft werden, können sich in Zukunft als weniger robust erweisen.
Auf keinen Fall darf der Wald als Hoffnungsträger zur Rettung des Klimas betrachtet werden. Der Wald und seine Wirkungen auf das Klimasystem, waren immer schon da. Der Schutz der Wälder bedeutet den Schutz der bisherigen Funktionen, aber nicht einen zusätzlichen Kohlenstoffspeicher.
Fazit:
Die Diskussion mit welcher Bewirtschaftung im Wald am meisten Kohlenstoff gespeichert werden kann, geht an der Realität vorbei. Wälder waren immer schon vorhanden. Durch die zunehmende Erwärmung und deren Folgen werden Wälder und andere Ökosysteme in ihrer Existenz bedroht.
Die Herausforderung besteht nicht darin, möglichst viel Kohlenstoff zusätzlich im Wald einzulagern, sondern den Wald als Ökosystem zu erhalten.
Dafür muss der Wald in Deutschland grundlegend umgebaut werden. Im besten Fall kann die bisherige Kohlenstofffixierung im Wald von etwa 2,5 Milliarden Tonnen, je nach Quelle werden auch 3,1 Milliarden Tonnen genannt, in Biomasse und im Boden erhalten werden.
Der aktuelle Zuwachs an Biomasse in Deutschland, wird hauptsächlich durch Aufforstung und einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung erreicht. Derzeit nimmt der Wald in Deutschland pro Jahr noch etwa 52 Millionen Tonnen CO2 auf. Der Wald und die Böden können aber nicht unbegrenzt Kohlenstoff aufnehmen.
Das Ziel mit negativen Emissionen aus dem Holzzuwachs Netto-Null-Emissionen zu erreichen ist aber richtig. Das darf aber nicht so verstanden werden, den erforderlichen Umbau des
Energiesystems aufschieben zu können. Um die zukünftig erforderlichen negativen Emissionen erreichen zu können, sind technische Lösungen erforderlich.
Der beste Schutz der Wälder ist ein entschlossener Umbau des Energiesystems. Das ist der entscheidende Hebel um die Klimaziele noch erreichen zu können.
Ein unkontrollierbarer Klimawandel hätte für den Wald und alle anderen Ökosysteme fatale Folgen. In vielen Weltregionen brennen Wälder auf großen Flächen. Auch Wälder in Mitteleuropa und Deutschland sind davor nicht sicher.
Von daher ist es wichtig, wenigstens das 2 Grad Ziel noch einzuhalten. Jedes Zehntel Grad weniger hilft dabei Ökosysteme und Gesellschaften zu schützen.
Kurt Werner, August 2024